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Paul, der Labbi-Mix (4)

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„Nachwuchs. Schon wieder.“ Esperanza lebte in einem kleinen Ort im Norden von Spanien und betrieb, seit dem sie sich zur Ruhe gesetzt hatte, ein kleines Tierheim. Die 62-jährige seufste, nahm das Bündel neugeborener Welpen in den Arm und brachte es erst mal ins Warme. Heute nacht war es empfindlich kalt gewesen und die kleinen waren unterkühlt. Sie würde die Welpen mit der Flasche großziehen müssen.

In jüngeren Jahren hatte Esperanza einige Zeit in Deutschland studiert und schliesslich als Deutschlehrerin in Barcelona gearbeitet, bis sie mit ihrem Mann in den Norden gezogen war. Die Idee mit dem Tierheim war eher zufällig entstanden, Esperanza war schon immer tierlieb und als sie aus dem Beruf ausgestiegen war, fing sie irgendwann gemeinsam mit einer Freundin an, die Straßenhunde der Umgebung anzufüttern, einzufangen, zu kastrieren und wieder auszusetzen.

Schon bald hatte sich rumgesprochen, dass die beiden Damen sich um herrenlose Hunde kümmerten und mit der Zeit brachten immer mehr Anwohner Hunde und Katzen zu Esperanza. Glücklicherweise verfügte die Finka über ein großes Grundstück. So lebte seit einigen Tagen eine verletzte Hündin in den Hecken hinter dem Pool. Jeden morgen fütterte Esperanza das scheue Tier an und war sich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sie sich dem Hund soweit nähern könnte, dass eine tierärztliche Untersuchung möglich wäre.

Nach kurzer Zeit jedoch stiegen die Kosten in so schwindelerregende Höhen, dass sich die beiden Tierschützerinnen etwas überlegen mussten. Über ein Internetforum traten sie in Kontakt zu einer privaten Tierschutzgruppe, die sich seit dem um die Vermittlung der Hunde kümmerte und ein- bis zweimal im Monat mit einem großen Transporter vorfuhr, um die Hunde, die ein Zuhause gefunden hatten, abzuholen. Mit den 40 Euro, die sie von den Deutschen für jeden Hund bekam, konnte sie zwar nicht die Kosten für Versorgung, Impfungen, Kastrationen usw. decken, aber immerhin, besser als nichts.

Einmal hatte Esperanza nachgefragt, ob es möglich wäre, den Preis etwas zu erhöhen. Doch ihre Ansprechpartnerin hatte ihr glaubhaft versichert, dass die Tierschützer dermaßen hohe Kosten zu bewältigen hätte, dass das nicht möglich wäre. Außerdem gäbe es viele Tierheime in Spanien und anderswo, die gar kein Geld für die Hunde bekämen. Die Chancen, einen Hund in ihrer Nachbarschaft zu vermitteln, waren eher gering und so war Esperanza auf die Hilfe der Gruppe angewiesen.

In den letzten Jahren hatten sich in der Gegend einige deutsche Ruheständler niedergelassen. Die waren hier nicht besonders gern gesehen. Kein Wunder, viele von ihnen hatten das Platzen der Immobilienblase in Spanien genutzt, um günstig Eigentum zu erwerben. Unter Androhung einer Zwangsvollstreckung hatten viele der ehemaligen Besitzer lieber schnell verkauft, um so wenigstens einen Teil der Schulden zahlen zu können und den Verlust in Grenzen zu halten.

Eine dieser Ruheständlerinnen war Roswita, Ehefrau eines ehemaligen Kaufmannes aus Düsseldorf. Vor etwa einem Jahr stand sie morgens vorm Tor von Esperanzas Anwesen und hatte gefragt, ob sie Hilfe gebrauchen könnte. Natürlich, gerne. Und so verstärkte Roswita das Team um Esperanza.

Roswita fuhr oft die Gegend ab und sammelte Straßenhunde ein, die sie fand. Leider manchmal auch Hunde, die eigentlich jemanden gehörten, aber nach dem Dafürhalten der Deutschen unter inakzeptablen Umständen lebten.

Esperanza wusste, dass Roswita es nur gut meinte, doch war sie es, die mit den Anfeindungen der Nachbarn leben musste. Sie hatte versucht, ihrer Helferin zu erklären, dass sich die Hundehaltung in diesem Teil von Spanien deutlich von dem unterschied, wie Hunde in Deutschland lebten. Und das sie nicht möchte, dass es Streit mit den Bauern der Umgebung gäbe. Und natürlich, dass es Diebstal ist, einfach einen Hund mitzunehmen.

Erst vor einigen Monaten stand ein zorniger Mann vor Ihrem Haus und wollte in das Grundstück eindringen. Er war außer sich vor Wut, brüllte Esperanza an, dass sie seine Hunde rausrücken solle. Das sie eine Diebin sei und das sie was erleben könne. Die Spanierin sagte, dass sie die Hunde nicht hätte und eigentlich war das nichtmal gelogen. Sie hatte die Hunde nicht mehr, denn sie waren kurz vorher nach Deutschland transportiert worden.

Wutschnaubend war der Mann schliesslich abgezogen und hatte noch gedroht, dass sie sich ja niemals seinem Grundstück auch nur nähern sollte …

Sich Paul zu nähern stellte sich in diesen Tagen wiederrum etwas schwierig dar, insbesondere in Verbindung mit Sabine. Michael hatte das Gefühl, dass der mittlerweile 45 Kilo schwere Rüde ganz genau durchschaut hatte, dass sie schwanger war und seine Aufgabe darin gefunden hatte, sie vor allem Unglück dieser Erde zu schützen. Wenn Sie mit dem Hund unterwegs war, musste er sich wenigstens keine Sorgen machen. Zumindest nicht um Sabine. Fremde durften sich ihr nicht nähern, aber das hatte auch keiner vor. Paul zeigte durch seine Haltung und seinen Blick ganz klar, dass man besser auf Abstand blieb.

Auch in der Wohnung akzeptierte Paul nur solche Besucher, die er kannte. Sabine und Michael hatten sich damit arrangiert. Denn seinen Besitzern gegenüber war Paulchen einfach nur nett und zeigte sich als ruhiger und verschmuster Hund. Sogar die Sache mit dem Sofa hatten Sabine und Michael aufgeweicht. Hatte Paul auf Anraten des Herdenschutzhund-Experten bis Dato Sofaverbot, so konnte sich der Rüde mittlerweile eine Ecke mit eigener Decke auf der Wohnlandschaft sichern.

Überhaupt verlief das Leben der werdenden Eltern einigermaßen reibungslos.

Nur eine Sache bereitete ihnen Sorgen. In der nächsten Woche würden die Handwerker anrücken und das zukünftige Kinderzimmer renovieren. Die große Frage war, was Paul davon halten würde, wenn fremde Menschen zwei Tage lang ein und aus gehen. Einmal war es bisher passiert, dass sie nicht aufgepasst hatten. Sabine hatte dem Paketboten noch zugerufen, dass er warten sollte, doch da stand er schon im Flur. Beziehungsweise an der Wand, vor ihm Paul, der ihn mit einem kräftigen Schubser dahin verfrachtet hatte und ihn nun bedrohlich anknurrte. Sabine wunderte sich heute noch, wie laut sie „Aus!!!“ brüllen konnte.

Der Versuch, den Hund vorübergehend in einer Hundepension unterzubringen, war an dem Versuch gescheitert, Paul der Pensionsinhaberin vorzustellen. Sie war nett fanden Sabine und Michael, Paul jedoch nicht. Und so beschlossen sie, dass Paul im Schlafzimmer bleiben würde, so lange die Handwerker im Haus sind.

(Fortsetzung folgt)

Hier geht es zu Teil 1, Teil 2, Teil 3 und zu Teil 5 von „Paul, der Labbi-Mix“.

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