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Schwangere Sozialpädagoginnen from Outer Space

 

Betimmte Erlebnisse sind wie Wein. Sie benötigen etwas Zeit zum Reifen, damit sie so richtig gut werden. Und so hat es auch fast ein Jahr gedauert, bis ich über die folgende Geschichte so richtig herzhaft lachen konnte. Aber zäumen wir das Pferd von hinten auf.

E-Mail vom 20. Oktober 2012:

„Solche Leute wie Sie veranstalten am Wochenende doch bestimmt Hundekämpfe.“

Meine Antwort vom 21. Oktober:

„Am Wochenende haben wir Gruppen, Hundekämpfe immer mittwochs.“

Was war passiert? Nun, irgendwann letztes Jahr war es, als ich eingeladen wurde, einen Workshop zu halten. Auf die Frage nach dem Thema antwortete ich „Körpersprache geht immer.“ und so wurden die Veranstalterin und ich uns recht schnell einig.

Am Telefon machte die Dame einen robusten Eindruck und versicherte sich nochmal rück, dass ich kein „Wattewerfer“ wäre, wie sie es nannte. Das würde nämlich nicht passen, sie und ihre Kunden wären eher pragmatisch, so erklärte sie mir und überhaupt, dieses ganze Leckerchengewerfe und Heititei wäre so garnicht ihres. Kein Problem, die Übungen kann man ja anpassen.

Ihres war das nicht, meines auch nicht, und auch nicht Sache der meisten Teilnehmer, aaaaber: Einige Besucherinnen des Workshops waren gänzlich anderer Meinung.

Und so stand ich da, konfrontiert mit dem Clash der Kulturen.

Links die Heititei-Fraktion, die schon beim ersten vermeintlich hundererziehungspädagogisch zweifelhaften Wort ihre Smartphones zückte, um eine Petition zu starten. („Er hat Abbruch gesagt, er hat Abbruch gesagt.“)

Rechts schliesslich die Kundinnen der Hundeschule, die ihren Hunden deutlich und sehr zum Unmut der linken Seite klarmachten, wenn ihnen etwas nicht passte und – um dem ganzen die Krone aufzusetzen – ein Teilnehmer der ganz, ganz alten Schule, dessen Hund passender Weise auch Hasso hieß.

Achja, und die Sozialpädagogin – hochschwanger, hochemotional, hochsensibel und vor allem verliebt und höchst entzückt von ihren völlig unerzogenen Bearded Collie, der während der gesamten Veranstaltung in einer Tour aus seiner Nylonbox rauskläffte. Aber dazu später.

In einer solchen Konstellation kann man eigentlich nur alles falsch machen.

Um mich dem Thema Körpersprache anzunähern, dachte ich mir, dass ich mit einer „Mensch-Mensch-Übung“ starte. Die Aufgabe, dass zwei Menschen einen dritten mittels Angebot und Einschränkung an einen vorher definierten Punkt zu führen, nutze ich gerne zum Einstieg, da man sehr gut sehen kann, wie durchsetzungsfähig die Leute sind, wenn es mal nicht um den Hund geht.

In diesem Zusammenhang habe ich gelernt, dass Menschen, die sich niemals gegen ihren Hund durchsetzen würden, keinerlei Probleme damit haben, einen Menschen körpersprachlich so lange in die Ecke zu stellen, bis dieser die Flucht ergreift. Dem Hassobesitzer musste man derweil öfter mal klarmachen, dass Körpersprache und Körperverletzung nur auf dem ersten Blick ähnlich klingen.

Der erste wirklich große Schock ereilte die Teilnehmerinnen aus der linken Ecke des Seminarraums denn auch, als ich sämtliche Hilfsmittel (Leckerchen, Klicker, Superleckerchen, Gigaleckerchen etc.) konfiszierte und dreisterweise von ihnen verlangte, auf „Feinfeinfein“ und „hiiiiiiiiiaaaaa“ für einen Nachmittag zu verzichten. Die Erkenntnis, dass der Mensch oft nur noch halb so interessant ist, wenn der fressbare Anreiz fehlt, traf sie hart aber nicht unvorbereitet.

Sofort prasselten die Erklärungen auf mich ein, dass der Hund das sonste könnte, dass die Situation ja auch mal sowas von unrealistisch wäre und überhaupt, wie man denn von einem Hund nur etwas einfordern könnte.

Herrn Hasso juckte das währenddessen herzlich wenig, ein schiefer Blick in Richtung Vierbeiner reichte und der arme Hund streckte sofort die Segel.

Ja, und dann war da noch der Bearded Collie, der immer noch nicht heiser war und nun angeleint am Zaun vor sich hin kläffte, fiepte und auch ansonsten ein ganz schönes Theater veranstaltete.

Irgendwann bat ich die Pädagogin, den Köter bitte mal abzustellen, weil man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Genau das sei ja ihr Problem, erklärte sie mir, denn das Vieh macht dieses Theater den ganzen Tag. Außerdem wäre er ja erst drei Jahre alt und sehr sensibel. Mit Blick auf die Teilnehmerinnen, die nicht vom Wahnsinn befallen aber dafür schon ziemlich entnervt waren, entschloss ich, dass es Zeit zum Handeln war und bot an, dass ich das „Abstellen des Hundes“ für die überforderte Besitzerin übernehmen würde … Die Dame sagte zu, ich erklärte ihr, was ich als nächstes tun würde und sie war einverstanden. Noch.

Es gibt so Hunde, die würden Kevin heissen, wenn sie Kinder wären. Diese Kategorie von Kind, das „Höhö, eine Herdplatte“ sagt, draufgreift, kurz „Aua“ ruft und dann nochmal draufgreift. Und es gibt so Kinder, nennen wir sie Kimberly, die gelernt haben, dass man nur laut genug schreien muss, um sofort von der Mama gerettet zu werden und zu ihrem Recht zu kommen. So ein Exemplar war dieser Bearded Collie.

Er am Zaun. Kläffend. Ich geh hin. Ungefähr einen halben Meter, bevor ihm vermeintlich Ungemach droht, fängt er an zu jaulen, als wenn ich ihm grad ein Frolic in den Hintern gesteckt hätte. Frauchen wird erst bleich, dann rot, dann hysterisch und schliesslich fassungslos. Tränen fliessen. Meine Erklärung, dass ich den Sauköter nichtmal berührt habe, kann ich mir sparen. Die Birne ist geschält.

Immerhin blieb mir die Notentbindung auf dem Hundeplatz erspart. Und der Hund war den Rest des Tages ruhig. Immerhin …

15 Kommentare
  1. Frank
    Frank sagte:

    Das ist das Schöne daran, wenn man Erlebtes nur liest: bei mir musste nix reifen. Ich konnte schon nach ein paar Sekunden herzhaft lachen und musste nur einmal kurz aufhören, um mir ein paar Tränen wegzuwischen ohne mir ein Auge auszustechen, damit ich den Rest auch noch entziffern kann.

    Viele Grüße
    Frank

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  2. Ute S.
    Ute S. sagte:

    Ich mußte herzhaft grinsen :-D. Das erinnert mich irgendwie an das auch bei uns weit verbreitete „Heititei“ „Leckerchen“ „feiiiinifein“. Irgendwie nimmt diese „Hundeerziehung“ immer mehr zu :-(. Bestes Beispiel unsere Nachbarin ……
    Normen du bist einfach herzerfrischend :-D

    Viele Grüße auch von Twister

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  3. Anke P.
    Anke P. sagte:

    Köstlich ! Wann schreibst du endlich mal ein Buch ? “ Kevin“ , sehr gut beobachtet, da gibt es aber auch noch die Jackelienes ! feue mich auf weiteres !

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  4. Rike
    Rike sagte:

    So stell ich mir das vor, wenn ein Hundeforum in Real Live aufeinander losgelassen wird. Jeder sieht am Ende seine Meinung bestätigt und hat schon immer gewusst, dass die anderen unfähig und gewalttätig sind.
    Die Masche des lieben Bearded Collie beherrscht mein Aussie auch zur Perfektion, jedenfalls soweit es die Kooperation mit meinem Freund betrifft. Erst das Kommando aus Prinzip missverstehen („Box“ heißt, ich soll mich neben die Box setzen, stimmts?) und bei Korrektur dann schreien als würden gerade die Ohren amputiert. Woraufhin dann Mami angespiked kommt und man dann schon mal vorsorglich in die Box hopst xD

    Ich danke dir jedenfalls herzlich für diese Einblicke ins Trainerleben – jetzt müsste man nur noch schon nach einem halben Jahr darüber lachen können, dann wär das Leben lustiger ;)

    Antworten
  5. Sabine
    Sabine sagte:

    Grandios, ich liebe Deine Geschichten und das Kopfkino, das dabei abläuft. Kevins, Kimberleys und hochschwangere Pädagoginnen made my day heute Morgen, herzhaft Tränen gelacht. Das Beste ist, dass es diese Spezien überall gibt, man in der Regel nicht drüber lachen kann – außer Du schreibst eine Geschichte darüber. Vielen Dank, weiter so!

    Antworten
  6. Marion
    Marion sagte:

    Aber die Beardies sind halt nunmal sensibel :D Und ganz schön gescheit. Sie wissen schon, welchen Knopf sie drücken müssen :D Ganz hinterlistig. Brechen scheinbar zusammen und zeigen einem dabei den Stínkefinger :D

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  7. Claudia
    Claudia sagte:

    Ich liebe die Geschichten hier !!! Ein wirklich unvergleichlicher Schreibstil, gepaart mit dem typischen „Norman-Humor“ – davon kann man nur noch MEEEEHHHHR wollen !!!!

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  8. Brigitte Penrod
    Brigitte Penrod sagte:

    Du,Normen du.
    Ich hab vor ‚en paar Tagen deinen Beitrag gelesen uns das hat mich echt voll betroffen gemacht.
    Ich hab dann mit Thorben-Hendrik und Dörte-Rasha-Marie aus meiner Strickgruppe „Hilfe für Strassenhunde am Polarkreis“ darüber diskutiert und die meinen auch, ich sollte dir das unbedingt mal mitteilen.
    Ich denk mir, du hast da ‚en unaufgearbeitetes Problem mit Pädagogen. Aber wenn du drüber reden willst, kannste dich mir echt anvertrauen. ich hör‘ dir da voll zu und so… Wenn du mal wieder in der Nähe von Darmstadt bist, komm doch einfach mal vorbei, ich koch uns dann ’nen leckren Matetee und back vegane Kekse in Hundeform. Und dann können wir uns so richtig entspannt austauschen, so von Mensch zu Mensch.
    Bis dahin solidarische Grüße ausm Vogelsberg
    P.S.: Meine Meditationsgruppe sendet dir vorab schon mal viele positive Vibes….

    Nee, jetzt mal im Ernst: Ich weiß es gibt unter uns Sozialpädagogen viele Hohlroller. Aber Flachpfosten haste überall. Jeder diskutiert über die Vorurteile von Listenhunde und was ist mit den Vorurteilen gegen uns arme Pädagogen? Ich trau mich ja schon gar nich mehr zuzugeben was ich beruflich mach…
    Denn: Ja es gibt sie, die SozPäds mit gesundem Menschenverstand, die Kindern nicht 2 Päckchen Gummibärchen in den Hals schieben, nur weil die 5 Minuten ruhig auf ’nem Stuhl sitzen ohne sich gegenseitig Stift oder Schere in Körperöffnungen zu stecken. Die ihre Hunde nicht voll lala-klicken und dann den 10kg Beutel Leckerlis auf ex hinterherschieben, nur weil das „himmlische Wesen“ ausnahmsweise mal nich dem Kanickel hinterher is‘.
    Bitte denk doch auch mal an uns. Und nein, ich will keine Selbsthilfegruppe!
    Liebe Grüße und danke für deinen Blog
    Brigitte
    P.S.: Einladung steht trotzdem. Nur mit Bier und Worscht ;)

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  9. Thomas K.
    Thomas K. sagte:

    Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass hier beim Besitzer und auch bei seiner Schwangeren ein klinischer Bleimangel vorliegt. Der Schusswaffengebrauch ist in solchen Fällen auch legal. Ein gegenwärtiger Angriff auf Leib & Leben ( Hörnerv, Gedultsfaden) lag objektiv vor. Ein milderes Mittel gab es nicht, denn Erwürgen der Beiden wäre die einzige Alternative.
    Ein größerer Schaden wäre auch nicht entstanden. Auf den ersten Blick tut einem das ungeborene Leben leid, aber das minimiert sich zur Gefühlsduselei, wenn man bedenkt, dass das Kind vermutlich nicht zur Adoption freigegeben worden wäre.

    Antworten
  10. Thomas K.
    Thomas K. sagte:

    Ach , ich vergaß: Der Dompteur von Hasso hat bestimmt seinen Weltkriegskarabiner 98 zu hause ( falls sein Zweithund „Alf“, Kurzform von Adolf, heißt unter Garantie auch Munition.)
    Man muss sich ja nicht selbst die Hände dreckig- besser blutig -machen.

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