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Die andere Seite der Leberwurst

Als ich gerade mit meinen vier Knalltüten durch den Regen trottete, weil die Viecher ja mal müssen, kam mir eine ältere Dame mit einem Rollator und einem Westie entgegen. Als dieser mich samt Hunde erblickte, fing er an zu pöbeln und ich glaube, wenn ich das übersetzen könnte, käme etwas sehr unflätiges dabei heraus. Der Terrier stand also terriertypisch in der Flexileine und drohte uns mit ewigen Schmerzen und einem qualvollen Ende.

Die ältere Dame fing derweil schmutzig an zu lachen, sagte mit rauchiger Stimme „Mach sie fertig“ zu ihrem Hund und schob sichtlich erheitert und in aller Seelenruhe ihre Gehhilfe weiter des Weges. Ich fand das gut und musste schmunzeln, bin mir aber sicher, dass der kleine Terrier seine Drohungen in die Tat umgesetzt hätte und meine achso treuen Hunde das Weite gesucht und auch gefunden hätten.

Einige Minuten später – es regnete inzwischen etwas stärker und meine Hunde hatten immer noch nicht ihr schmutziges Geschäft abgeschlossen – kam mir eine weitere Hundehalterin entgegen.

Sie, modisch gekleidet in Jack Wolfskin, ihr Rhodesian Ridgeback nicht minder modisch in K9 mit „Mamas Liebling“-Bapperl drauf, farblich passend zur 15-Meter-Schleppleine in Biothane®.

Frauchen ist garantiert Ehefrau eines Bankers, der in Frankfurt kleine Sparer über den Tisch zieht, während sie, die Kinder sind schon aus dem Haus, ihre viele Freizeit damit verbringt, irgendwie nicht an der Bedeutungslosigkeit ihres Lebens zu Grunde zu gehen. Ok, ich gebe zu, ich habe da vielleicht ein paar Vorurteile.

Ihre 150-Euro-Gummisteifel aus dem Premium-Reiterbedarfsegment und das Sports Utility Vehicle mit dem CO2-Ausstoss eines chinesischen Kohlekraftwerks, aus dem gerade der Ridgeback gesprungen ist, geben jedoch einen ersten Hinweis darauf, was mich gleich erwartet. Und ich behalte recht. Vorurteile, vielleicht doch eher Urteile.

Während Mamas Liebling beim Anblick meiner Hunde anfängt, sich aufzupumpen, sinniere ich darüber, wie er wohl heissen mag. Meistens haben Ridgebacks irgendwelche wohlklingenden afrikanischen Namen, die dann ins Deutsche übersetzt soviel wie „Eimer“ oder „Baum“ bedeuten. Aber soviel Kreativität traue ich der Dame nicht zu und bin mir sicher, dass der Hund „Paul“ heisst. Oder „Rocky“. Das ist kein Name, das ist eine Diagnose.

Und ich behalte recht. Während nämlich Frauchen einen Moment pennt (sie tippt irgendwas in ihr Smartphone, das garantiert von Kindern in düsteren Fabriken in China hergestellt wurde), poltert Mamas Liebling los und kommt mächtig protzig auf uns zu. Und da kommt es: „Paul, hiiiiiiiiiaaaar“ brüllt die Outdoorkleidungsbewehrte Bad Homburgerin, doch das interessiert Paul reichlich wenig. Ich bin mir sicher, dass seine Besitzerin just in diesem Moment verfluchte, dass sie nicht eine 30-Meter-Leine gekauft hat.

So kommt es zum Showdown. Meine beiden Rüden schauen mich mit einem flehenden Blick an, dass ich ihnen doch bitte erlauben möge, diesem Großmaul seinen Ridge auf links zu prügeln, während meine Hündinnen schonmal die imaginären Pom-Poms zwecks Anfeuerung unserer Mannschaft auspacken. Doch ich bleibe erstmal möglichst gelassen und rufe meinem Gegenüber zu, dass sie doch bitte ihren Hund zurückholen soll.

Die Antwort folgt auf dem Fuße: „Aber er kommt ja nicht, wenn ich ihn rufe.“

Ich überlege noch kurz, ob ich sie jetzt noch fragen soll, warum sie nicht auf ihren Köter aufpassen kann und stattdessen auf ihrem scheiss Technikspielzeug rumdaddeln muss, doch dazu komme ich nicht mehr. Mamas Liebling  steht vorm Tackerchen, baut sich auf, steckt ihm seine dicke Nase in den Hintern und will gerade seinen Kopf auflegen, als mein kleines lustigbunt gemerltes Hütitüti dem angeblichen Löwenhund auf links dreht und ihm auf sehr alttestamentarische Art und Weise zeigt, was er von solchen Typen hält.

Da Paulchen nicht der Schlaueste zu sein scheint und es trotz eingetackerter Ohrstanze vom gleichnamigen Freestyle-Kämpfer nochmal wissen möchte, greife ich ein und verscheuche das Vieh, bevor es noch ernsthaft Schaden nimmt.

Mamas Liebling verschwindet samt Schleppleine und neuerworbenem Loch in den Feldern und Frauchen schaut mich fassungslos an.

Sofort fängt sie an zu poltern, dass ihr Liebling verletzt worden wäre und dass ich für die Kosten aufkommen müsse. Meine Antwort lautet „Nö.“ Ich habe keine Lust, mit ihr über Gefährdungshaftungen, allgemeiner Leinenpflicht in Bad Homburg und solche Dinge zu diskutieren. Ihre Stimme ist mir viel zu hysterisch und außerdem führen solche Diskussionen zu nichts.

Ihr Argument, dass ihr Paul ein ganz lieber sei und meine (angeleinten) Hunde ihn unnötig provoziert haben, quittiere ich ebenfalls mit einem „Nö“. Genauso wie ihre Drohung, dass das Ganze ein Nachspiel haben werde. „Nö“. Dann fragt sie mich, ob das alles wäre, was mir dazu einfalle. Ich überlege kurz und antworte: „Nö, eine Sache fällt mir ein. An Ihrer Stelle würde ich meinen Hund einfangen gehen, schliesslich ist da vorne die Autobahn.“

Frauchen wird bleich, lässt mich im Regen stehen und spurtet in die Richtung, in der sie ihr Liebling vermutet.

Auf dem Weg zurück zum Auto, komme ich am Kronenhof vorbei und treffe die alte Dame. Sie sitzt unter dem Vordach und raucht einen Cigarello. Ihr Terrier fängt an zu kläffen, sie fängt an zu lachen und wiederholt: „Mach sie fertig!“ Als ich ins Auto steige denke ich bei mir, eigentlich hat der Ridge noch Glück gehabt.

29 Kommentare
  1. Stefan Spichiger
    Stefan Spichiger sagte:

    Oh man Normen ich könnte deine Texte stundenlang konsumieren, leider muss ich dazwischen noch arbeiten.

    Danke für diesen Blog

    Viele Grüsse aus der Schweiz
    Stefan

    P.S irgend wann kommst du an den Zürichsee und erzählst uns einen Abend lang aus deinem Blog Geschichten. ;-)

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    • Janine
      Janine sagte:

      Ich kenn die auch! Aber bei mir hat sie zwei Rüden (einer scheint wohl schon abhanden gekommen zu sein). Könnte aber auch an der Leine liegen. Alles was von der Länge nicht mindestens von NRW bis Hessen/RLP reicht ist tierschutzmässig rein gar nicht zu akzeptieren und sollte schwere Konsequenzen oder eine Petition wallten lassen.

      Ja ja! Haben noch nie Afrika gesehen, aber einen Löwenbezwinger haben se, die Uschis aus der gehobenen Wohnsiedlung!

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  2. Rike
    Rike sagte:

    Heute hat sich bei mir eine alte Dame entschuldigt, weil ihr durchgeknallter Mini-Mix rumgekläfft hat und meinem Hund auf den Pelz gerückt ist. Das ist runtergegangen wie Butter und hat mir echt den Morgen versüßt. Hundehalter, die erkennen, dass ihr Vieh gerade Mist gebaut haben und dafür gerade stehen…ich hab mich dann bei ihr bedankt. Ich bin mir nicht sicher, ob sie wusste warum.

    Ansonsten: Ich brauch langsam für solche Situationen ein erschreckend großes Rudel, damit diese Hundebesitzer eventuell vorher mal nachdenken. Am besten aus lauter Staffis und Schäferhunden. Leider ist mein Hasenfuß nicht gut im prügeln und kriegt bei sowas immer mächtig Schacht. Und ich steh dann wieder da und weiß nicht, was ich dazu noch sagen soll.

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    • Cerise
      Cerise sagte:

      Oh, die Vorurteile der Hundehalter sind manchmal wirklich hilfreich!
      Während ich oft genug meine Killerzicke in wuscheligem Papillonfell nur durch hochnehmen davon abhalten konnte andere Hunde anzugehen und mich immer wieder gefragt habe was an „Bitte lassen sie ihren Hund nicht her!“ nicht zu verstehen ist hat sich die Situation völlig geändert.
      Denn inzwischen hängt da ein Mini Bullterrier in der Leine und seitdem habe ich nicht einen dieser „Tut-Nixe-die-doch-was-tun“ wieder bei uns gehabt.

      Das der Mini alles einfach nur total liebt was nen Puls hat ist egal, der ist eben ein „Kampfhund“ und darum wird ein Bogen gegangen. Tolle Sache…

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  3. Au weia
    Au weia sagte:

    „Das ist kein Name, das ist eine Diagnose.“
    Stellen Hundetrainer jetzt auch schon Diagnosen, genau wie Lehrerinnen??
    Soviel Arroganz, Neid und Vorurteile schrecken mich ab. Ich werde dieses Blog nicht mehr lesen.

    Antworten
  4. Klaus
    Klaus sagte:

    Es bleibt nur eine Frage – Wann erscheint dein Buch ?
    Ich mache hiermit schon mal eine offizielle Vorbestellung.

    Der Rumänienartikel war auch sehr bezeichnend.

    Titelideen:
    Hundemenschen – Die Blasen zwischen den Ohren
    Hundereise – Mein Leben am Ende der Leine
    Facebook und der Sinn des Lebens

    Jedenfalls bin ich sehr gespannt wann ich die ersten dreihundert Seiten lesen darf.
    Es gibt da ein Buch das mir das spontan in den Sinn kommt – Bill Bryson – Streiflichter aus Amerika

    Gruss Klaus

    PS: Kann man Normen als Schreiber buchen oder für einen Gastartikel ?

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  5. Tina Gruber
    Tina Gruber sagte:

    Die Box-Cheerleader-Szene werde ich wohl so schnell nicht aus meinem Kopf bringen…
    Und die Speisereste, die ich vor lauter Prusten über den Bildschirm verteilt habe, sind ebenfalls äußerst hartnäckig… :-D

    Genial!

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  6. Nicole
    Nicole sagte:

    Da ich ja nur selektiv lese, ist bei mir nur hängen geblieben, dass Normen neidisch ist, weil er nicht Paul heisst. Oder weil er keinen Hund namens Paul hat.
    Verdammt- ich kann nicht nur ausschließlich selektiv lesen, ich habe auch noch Probleme, Gelesenes zu verstehen. Ich glaub ich brauch Hilfe.

    Merci, Normen- ich habe Bilder genug für heute im Kopf *g*.

    Antworten
  7. mike
    mike sagte:

    Louis heißt der Hund und sie ist ein Herrchen …….Normen so ziemlich genau eine Woche nachdem ich über diese Geschichte hier so schön gelacht habe. …rate mal. …

    Antworten
  8. Hilfe!
    Hilfe! sagte:

    Leider ist es mir nicht anders möglich, als die von Ihnen gestellte ‚Diagnose‘ in vorurteilslastiger Umkehrung gleichermaßen bei Ihnen anzuwenden, lieber ähh “Normen“.
    Es ist und bleibt doch einfach nur ein “Normen“ und kein ‚Paul‘, der hier schreibt, und somit ist das völlig überspitzte und dadurch unlustige Geschreibsel, das hier zum Lesen vorliegt, für mich fast schon wieder entschuldbar.
    Arbeiten Sie doch künftig bitte an Ihrem Sozialneid, der Ihren nicht ganz werturteilsfreien Blick offensichtlich etwas zu vernebeln scheint…
    Und vergraben Sie Ihren eigenen PC “made in China“ doch bitte im Erdboden….Die Kunst, etwas heiter und evtl. betont übertrieben durch Hinweise auf eigene Erfahrung widerzugeben, misslingt Ihnen mit Ihrer Schrift leider, da Sie dieses Können, eben zeitgleich nicht beleidigend und ausgrenzend auf entsprechende Gruppen zu wirken, nicht beherrschen. Ich werde von Ihnen nichts mehr lesen.

    Antworten
    • Hilfe!
      Hilfe! sagte:

      …ach und noch etwas: die Art des Umgangs mit erlebter und detailreich geschilderter Situation bezogen auf den Ridgback wirft ein jämmerliches Bild auf Sie, Ihre Hunde und vor allem auf Ihre Haltung und Einstellung! Sie sollten sich schämen!

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        • mike
          mike sagte:

          Liebe Kathi,
          es ist offensichtlich das sich „Hilfe“ schlicht und ergreifend keinen Gehorsam für ihren „Ridgeback“ kaufen kann. Auch nicht für viiiiiieeeeel Geld……
          Muss schon deprimierend sein wenn man sich in einem „proletarischen“ Satire Blog als „Witzfigur“ wiedererkennt ;)

          Antworten
    • Katharina Liechti
      Katharina Liechti sagte:

      Nadja,vielleicht,vielleicht auch nicht… Vielleicht hat „Hilfe“ einen Weimaraner… Könnte auch passen ! Oder,oder,oder…Wo’s wirkliche Problem liegt… Wir werden’s wohl nie erfahren! Ausser „Hilfe“ meldet sich! Hab da aber grosse Zweifel !

      Antworten
  9. Katharina Liechti
    Katharina Liechti sagte:

    Hab was vergessen: ich liebe Weimaraner und Ridgeback,aber oft habe ich viele (???) im Kopf welche das „andere Ende der Leine“ betreffen!!!

    Antworten

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