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Hässliche Wahrheit (3): Man darf sie nicht alle retten!

Heute habe ich frei. Und weil ich keine Ahnung habe, was ich mit so viel Freizeit anfangen soll, trödle ich ein wenig in den sozialen Netzwerken rum. Und siehe da. In meiner Timeline spült es einen Hilferuf hervor:

Jemand sucht für einen Hund, der mehrfach aktenkundig gebissen hat, einen Menschen, einen Verein oder wasauchimmer. Zwecks Rettung vor der „Todesspritze“, wie der Autor schreibt. Solche Aufrufe sind erstmal nicht außergewöhnlich und zumindest in meiner persönlichen Filterblase allgegenwärtig.

In diesem Fall jedoch gibt es einige Besonderheiten.

Zum Einen lebt der Hund nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz. Das ist aber nicht so schlimm, denn zum Anderen würde die Schweizer Polizei schriftlich genehmigen, dass der Hund ausreisen darf.

Das ist ja ein Ding, denke ich mir. Und tatsächlich finden sich unter dem Beitrag jede Menge Kommentator*innen, die den armen Bub sofort und auf der Stelle retten würden. Wenn sie nicht schon drei hätten, versteht sich.

Die Einfuhr bzw. im Falle der Schweiz, die kein EU-Mitglied ist, die Verbringung von gefährlichen Hunden nach Deutschland regelt das Gesetz mit dem völlig unkomplizierten und charmanten Namen „Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland“ oder kurz „Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz“, oder noch kürzer „HundVerbrEinfG“.

Wer sich schonmal über merkwürdige Gurkenverordnungen gewundert hat, wird an der Geschichte dieses Gesetzes seine wahre Freude haben.

In Kraft getreten ist dieses Wunderwerk der politischen Spontanität im Jahr 2001. Die Älteren unter uns werden sich erinnern, dass kurz zuvor ein Kind bei einem tragischen Beißvorfall in Hamburg ums Leben gekommen war. Tragisch auch deshalb, weil die Besitzer der betreffenden Hunde den Behörden bekannt waren, diese jedoch untätig blieben. Dies Unglück hätte also verhindert werden können.

Unmittelbar nach dem Vorfall war die Wut groß und insbesondere die Boulevardmedien befeuerten mit wenig zurückhaltenden Schlagzeilen à la „Tötet die Bestien!“ die Debatte.

Vor diesem Hintergrund taten die Verantwortlichen das, was sie am besten können: Sie übten sich in Aktionismus! Aber in Blindem, bitte.

Entgegen unzähliger Hinweise von Biolog*en, Tierärzt*en, Hundetrainer*n etcpp. wurde in kürzester Zeit also das „HundVerbrEinfG“ zusammengeschustert, welches im wesentlichen besagt, dass

„Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden“

nicht nach Deutschland gebracht werden dürfen.

Kaum trat das Gesetz in Kraft, kamen prompt die ersten unangenehmen Fragen bzgl. gefährlicher Hunde auf.

Nur mal hypothetisch: Was wäre zum Beispiel, wenn es an der deutsch-österreichischen Grenze zu einem Gebäudeeinsturz käme und die Mitglieder österreichischen Rettungshundestaffel Pitbulls als Suchhunde hätten? Haben die Verschütteten dann Pech gehabt, weil die Hunde nicht einreisen dürfen?

Dass man da wohl etwas vorschnell war, ahnten auch die Verantwortlichen und beschlossen die „Verordnung über Ausnahmen zum Verbringungs- und Einfuhrverbot von gefährlichen Hunden in das Inland“, kurz HundVerbrEinfVO“.

Diese Verordnung trat im April 2002 in Kraft und erklärt, dass Diensthunde, auch solche fremder Streitkräfte sowie „Blindenhunde, Behindertenbegleithunde und Hunde des Katastrophen- und Rettungsschutzes“ doch einreisen dürfen. So ein Glück!

Außerdem darf man seinen Hund wieder mit nach Hause bringen, wenn man im Urlaub war. Und weil wir Deutschen so gastfreundlich sind, dürfen auch ausländische Gäste ihren Hund mitbringen. Und der Baden-Württemberger mit seinem Rottweiler in Bayern eine Pinkelpause machen. Aber maximal vier Wochen. Wenn der Schwabe sich dabei das Bein bricht, darf der geliebte Fiffi ausnahmsweise länger bleiben. Auf Antrag versteht sich.

Der Hund in dem oben geschilderten Hilferuf gehört übrigens keiner der im „HundVerbrEinfG“ genannten Rassen an.

Auf Grund der spätestens jetzt öffentlich bekannten Beißvorfälle stehen seine Chancen für eine – legale – Einreise dennoch nicht allzu gut. Selbst wenn der besagte schweizer Polizist den deutschen Kollegen die Ausreisegenehmigung vortanzen würde.

Zum Einen weil jedes Bundesland nochmal ein eigenes Hundegesetz hat und beißende Hunde, egal woher sie stammen, nirgendwo gerne gesehen sind. Zum Anderen, weil die Polizei, auch in der Schweiz, solche Dinge gar nicht entscheidet bzw. entscheiden darf.

„Der Kevin überfällt zwar alte Omas, aber so lange er das nicht hier tut, schreiben wir ihm eine Unbedenklichkeitbescheinigung.“

Ja, Nee, is klar.

1 Kommentar
  1. Nicole
    Nicole sagte:

    tja und als Schweizerin, die in dem Bereich arbeitet sag ich auch, dass dies nicht die Polizei, sondern die Veterinärbehörden bestimmen. Und ob das wirklich so ist, bezweifle ich stark, aber nichts ist unmöglich ;-)

    Antworten

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