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Ein Konflikt ist ein Konflikt ist ein Konflikt

1872 formulierte Charles Darwin in seinem Werk „The Expression of the Emotions in Man and Animals“ das Prinzip der Antithese, nachdem gegensätzliche Emotionen durch gegensätzliche Ausdrucksformen gezeigt werden.

Im Falle von Hunden bedeutet dies, dass ein Hund, der z.B. offensiv droht, sich antagonistisch zu einem Hund verhält, der defensiv droht. Darwin beschäftigte sich mit den Emotionen von Menschen und Tieren, die letzteren seiner Zeit noch abgesprochen wurden. Da sich auch Menschen antithetisch verhalten, wollte er so den Beweis antreten, dass auch Tiere Emotionen haben müssten.

Diese Verhaltensähnlichkeiten zwischen Mensch und Canide nennt man „Analogien“. Und davon gibt es einige. Zum Beispiel investieren sowohl Menschen als auch Wölfe sehr viel Energie in die Aufzucht ihres Nachwuchses, verfügen über hohe soziale Kompetenzen und über verschiedene kognitive Fähigkeiten.

Antithetisches Verhalten lässt sich insbesondere im Bereich der Agonistik beobachten, so lange diese ritualisiert* stattfindet. Neben dem eben erwähnten Drohverhalten betrifft das auch den Kommentkampf. Ähnliche wie der Hund „baut“ sich der offensiv auftretende Mensch „auf“ und nimmt Raum ein, während sich der defensiv, deeskalierende agierende Mensch „klein macht“. und Raum gibt. (vgl. Feddersen-Petersen 2015)

Antithese im Hundetraining

Da Hunde sehr sensibel auf unsere „Körpersprache“ reagieren, liegt es auf der Hand, dass das „körpersprachliche Arbeiten“ im Hundetrainingskosmos einen festen Platz inne hat. Insbesondere, wenn ein Verhalten des Hundes unterbrochen werden soll, kann es hilfreich sein, Raum zu beanspruchen und Distanz zu fordern. Das Prinzip heisst dann „Distanz schafft Nähe“, „Willst du gelten, mach dich selten“, „Du bist der Star, mach‘ dich rar“ etcpp.

Logisch, vorausgesetzt die Beziehung ist stimmig, nimmt der Hund die eingeforderte Distanz als Strafe wahr und möchte Nähe zum Menschen herstellen. So wird also geblockt, fixiert und verscheucht, was das Zeug hält. Ausreichend sensibilisiert kann die Verhaltensunterbrechung so „fein“ stattfinden, dass man als Hundemensch nicht Gefahr läuft, von irgendwelchen Leuten angeranzt zu werden. Ein bisschen Gewichtsverlagerung, etwas Körperspannung und ein  Blickfixieren – und zack, weiss Luna, dass sich gerade der Himmel verdunkelt. Entscheidet sich die Süßmaus für Kooperation, erfolgt eine Einladung und der Konflikt wird aufgelöst. Alles wieder tutti.

Diese Vorgehensweise als solche find‘ ich erstmal völlig Ok und dem entsprechend findet sie auch in meiner Verhaltensberatung Anwendung, wenn es passt. Aber ich bin ja auch ’ne Hartwurst, wie Ihr wisst. Was mir jedoch auf den Zeiger geht, ist dieses merkwürdige Reframing in der Hundewelt:

Zunächst einmal liest man immer wieder, dass körpersprachliches Arbeiten eine tolle Kommunikation sei; ganz nah am Hund, ein tolles „Gespräch“. Nah am Hund? Stimmt, Analogie und so. Kommunikation? Ja, aber toll für den Hund? Und Gespräch? Wenn ich mit meinem Hund z.B eine „Stop&Go“-Übung mache, dann führe ich eher einen Monolog. Ich als Mensch schränke den Raum des Hundes ein und gebe diesen zu meinen Bedingungen wieder frei. Es ist nicht vorgesehen, dass der Hund seine Meinung dazu kund tut. Und tut er es doch, wird die Meinung wegtrainiert.

Dazu kommt die oben erwähnte stimmige Beziehung. Wenn ich meinem Hund wirklich wichtig bin, dann stellt das ernsthafte Einfordern von Distanz und Raum die Höchststrafe für ein soziales Lebewesen dar. Als Mensch tue ich nichts anderes als ihn auf eine Art und Weise, die ihm sehr nahe ist, auszuschliessen. Möchte er wieder dazu gehören, muss er meine Bedingung annehmen.

Wir reden hier also über einen handfesten Konflikt: „Wenn Du dich nicht so benimmst, wie ich es möchte, hast du in meiner Nähe nichts zu suchen.“

Dieses Angebot, welches dem Hund gemacht wird, ist also eher vergleichbar mit dem des Paten: Eines, das man nicht ablehnen kann.

Wenn der Hund wirklich ein unerwünschtes Verhalten zeigt, ist das wegtreiben oder -scheuchen von mir aus Ok. Ganz im Gegenteil, im Hundetraining bin ich ein großer Freund von sozialer Auseinandersetzung. Was ich aber immer wieder beobachte ist, dass Hunde ohne Sinn und Verstand für jeden Scheiss eingeschränkt werden. Doof gucken – wegscheuchen. Am Blümchen schnüffeln – böser Blick und gib ihm.

Manchmal könnte man auch einfach mal sagen, was man möchte. Vielleicht hört der Hund ja drauf. Spannenderweise hat das schon vor 10 Jahren ein bekannter Hundetrainer gesagt, der wirklich nicht dafür bekannt ist, besonders kuschelig vorzugehen.

Nur weil eine körpersprachliche Unterbrechung nicht körperlich ist, heisst das noch lange nicht, dass sie deshalb nett wäre. Warum wir so tun, als ob ein „Bodyblock“ vergleichbar wäre mit einem romantischen Tanz, erschliesst sich mir nicht.

Egal, wie wir das Kind nennen. Ein Konflikt bleibt ein Konflikt.

 

*Als Ritualisierung bezeichnet man den Satz an Verhaltensweisen, der im Zuge der Stammesgeschichte einen Signalwert erhalten haben. (Dorit Feddersen-Petersen, 2015)

Als Beispiel möchte ich die Vorderkörpertiefstellung anbringen, gerne auch „Spielaufforderung“ genannt. Jeder Hund ist per Disposition in der Lage, dieses Signal zu erkennen. Ein Beispiel aus dem menschlichen Verhalten wäre Ekel, ein Verhalten, welches wir schon als kleine Kinder bei unserem Gegenüber erkennen können. (Ekman, 1999)