Hunde stinken, haben Flöhe, machen Dreck – und beißen.

So ist das, so war das schon immer und so wird es – trotz aller Anstrengungen verschiedener Seiten – auch bleiben.

Aggressives Verhalten ist also „voll normal“, übrigens auch bei uns Menschen. Jeder von uns, der mal kurz vor einem wichtigen Termin im Stau stand, weiss wovon ich schreibe.

Die Frage ist also nicht ob, sondern wie wir uns aggressiv verhalten. Trommeln wir wütend aufs Lenkrad und schreien unseren Frust heraus, dann ist das adäquat. Springen wir aus dem Auto und treten unserem Nebenmann eine Beule in den SUV, dann ist dieses Verhalten nicht mehr akzeptabel.

Warum wir uns wann wie verhalten, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab: Neben unserer momentanen Gefühlslage und erblichen Faktoren kommt es jedoch vor allem darauf an, was wir gelernt haben.

Genauso verhält es sich beim Hund.

Nur, wenn der Hund lernen darf, adäquat zu kommunizieren, ist er später in der Lage, Konflikte zu meistern – ohne es dabei zu übertreiben. Dies gilt für das Zusammenleben mit dem Menschen genauso wie für das Aufeinandertreffen mit Artgenossen.

Doch vor lauter menschlichem Harmoniebedürfnis und Unkenntnis haben viele Vierbeiner in der Wurfkiste das letzte Mal die Gelegenheit gehabt, sich auszuprobieren, Grenzen zu erfahren und Konflikte so zu lösen, wie es soziale Beutegreifer nunmal tun.

Kein Wunder, dass immer mehr Hunde in den Tierheimen landen, weil sich ihrem Artgenossen – oder schlimmer noch – einem Menschen sprichwörtlich „eine Beule in den SUV getreten“ haben.

Charakterköpfe mit Biss

Immer wieder gelangen Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Aggressions-Workshops – seien es Hundetrainer, Tierpfleger oder Hundehalter – zur selben Erkenntnis:

Gerade solche Hunde, die erstmal mit viel Tamtam und Radau Eindruck schinden wollen, sind häufig ziemlich arme Kerle, wenn man sie genauer betrachtet.

Im Glauben, irgendwelche „Aufträge“ erfüllen zu müssen, stürzen sie sich ins Unglück und sind dabei oft völlig überfordert.

Nimmt man ihnen diese Last, entpuppen sie sich oft als tolle Hunde mit unglaublich vielen Talenten und Potential. Dies gilt umso mehr für die Vierbeiner, die Menschen gegenüber zugebissen haben und meine Teilnehmer/innen und mich immer wieder zutiefst beeindrucken und berühren (im übertragenden, nicht wörtlichen Sinne ;).

Kommunikation ist wie tanzen – man kann es lernen.

Diese Hunde dürfen wir nicht alleine lassen. Die allermeisten von ihnen sind alles andere als glücklich in dem, was sie tun. Es braucht verständige, aber vor allem sachkundige Menschen, die sich ihrer annehmen – sei es in der Hundeschule, auf der Hundewiese oder im Tierheim.

Ich bin der festen Überzeugung, dass nur die allerwenigsten Hunde auf Grund von genetischen, störungsartigen oder erlernten Verhalten tatsächlich keine Chance (mehr) haben, eine adäquate Kommunikation mit Artgenossen und Menschen zu lernen.

„Einschläfern können wir immer noch.“ lautet dem entsprechend auch heute noch mein Credo, wenn ich beißvorfällig gewordene Hunde bei mir aufnehme, um mit ihnen zu arbeiten.

Nur, weil es für uns Menschen unangenehm, emotional belastend und vielleicht gesellschaftlich geächtet ist, heisst das noch lange nicht, dass wir unseren Hunden deshalb ihr Recht nehmen dürfen, sich „voll normal“ zu verhalten.

Wenn wir mit dem Normalverhalten unserer Hunde nicht umgehen können, dann sollten wir vielleicht so fair sein und uns ein anderes Hobby suchen. (das habe ich mal gesagt.)