Dem Guru seine Jünger

Erstaunlich: Sobald sich mehr als drei Leute zusammengefunden haben und irgendeiner Hundeerziehungs-, Ernährungs- oder Wasweissich-Philosophie frönen, kommen wie aus der Pistole geschossen drei andere um die Ecke und erklären die Gruppe zur Sekte.

Die Lalas sind eine Sekte, die Hardliner sind eine Sekte, die Barfer und die Rudeldingsbums ebenso. Kaum ein Begriff wird in der Hundeszene derart inflationär gebraucht, wenn es darum geht, eine bestimmten Strömung möglichst allumfassend und unsachlich plattzumachen.

Dabei sollte man eigentlich vorsichtig sein mit solchen Begriffen, auf der anderen Seite könnte der geneigte Beobachter sehr wohl das Gefühl bekommen, es mit Fundamentalisten zu tun zu haben angesichts der teils merkwürdigen Gepflogenheiten, die in so manchem Forum oder Facebookgruppe herrschen.

Als ich mal einen offenen Brief an die Bundestierärztekammer gebloggt habe, kam ich in den Genuss, von den Betreibern der Gruppe „Trainieren statt Dominieren“ zum personifizierten Bösen erklärt zu werden. Um die Gruppe zu schützen wurde der Link, den eine Nutzerin geteilt hatte, mit dem Hinweis, dass man mich nicht diskutieren möchte, schnell wieder gelöscht und sie mit den Worten

(…) leider häufen sich die Beschwerden von Gruppenmitgliedern über Dich. Deine Postings werden als extrem provokant empfunden und ich kann diese Ansicht teilen. Ich mag glauben, dass es Dir tatsächlich um Wissen geht, dann darf ich Dich bitten, Deine postings VOR dem Absenden zu überdenken. (…) Dies ist also Deine Chance auf eine Verhaltensänderung und so in der Gruppe zu bleiben.

„verwarnt“. Jeeps, das ist schon irgendwie spooky, zumal der Artikel nix, aber auch garnix mit TsD zu tun hatte.

Nun habe ich mich gefragt, was denn wohl dran ist an den Sekten-Vorwürfen und habe ein bisschen bei denen gegoogelt, die es wissen müssen. Und siehe da, ich bin auf eine „EBI-Checkliste für Einsteiger“ gestossen.

„EBI“ steht für Eltern- und Betroffenen-Initiative gegen psychische Abhängigkeit“, die Checkliste findet sich auf der Internetseite „Teensgeneration.com„, die wiederum ist eine “ Plattform, um christlich-gläubigen Teenagern überkonfessionell biblisch-begründete, praktische Hilfestellung in täglichen Fragen des Glaubens zu vermitteln.“

Als ich mir die Liste so durchgelesen habe, musste ich schmunzeln. Aber lest selbst.

Schön fand ich auch den Hinweis:

„Wenn Du nicht wirklich alle Behauptungen streichen kannst, ist schon VORSICHT geboten!“

Wie erkenne ich eine Sekte? (“Alarmzeichen”)

EBI-Checkliste für Einsteiger

  1. Schon der erste Kontakt mit der Gruppe eröffnete eine völlig neue Weltsicht (“Schlüsselerlebnis”)
  2. Das Weltbild der Gruppe ist verblüffend einfach und erklärt wirklich jedes Problem.
  3. Bei der Gruppe findest Du alles, was Du bisher vergeblich gesucht hast.
  4. Die Gruppe hat einen Meister / Führer / Vater / Guru / Vordenker, der allein im Besitz der ganzen Wahrheit ist und oft wie ein Gott verehrt wird.
  5. Die Welt treibt auf eine Katastrophe zu, nur die Gruppe weiß, wie man die Welt noch retten kann.
  6. Die Gruppe ist die Elite, die übrige Menschheit ist krank / verloren – wenn sie nicht mitmacht / sich retten lässt.
  7. Die Gruppe lehnt die etablierte Wissenschaft ab. Die Lehre der Gruppe wird als einzig “echte Wissenschaft” verstanden.
  8. Die Gruppe lehnt das “rationale Denken”, den “Mind”, den “Verstand” oder die “Verkopfung” als negativ / satanisch / unerleuchtet ab.
  9. Kritik und Ablehnung durch “Außenstehende” ist gerade der Beweis, dass die Gruppe Recht hat.
  10. Die Gruppe bezeichnet sich als die “wahre” Familie oder Gemeinschaft.
  11. Die Gruppe will, dass Du alle “alten” Beziehungen (Familie, Wohngemeinschaft, Freundschaften) abbrichst, weil sie deine “Entwicklung” behindern.
  12. Die Gruppe grenzt sich von der übrigen Welt ab, z.B. durch
    • Kleidung
    • Ernährungsvorschriften
    • eine eigene “Gruppensprache”
    • Reglementierung von zwischenmenschlichen Beziehungen
  13. Die Gruppe verlangt strikte Befolgung der Regeln oder “absolute Disziplin”, “denn dies ist der einzige Weg zur Rettung!”
  14. Die Gruppe schreibt dein Sexualverhalten vor, z.B.:
    • Partnerzusammenführung durch die Leitung oder
    • Gruppensexualität oder
    • totale Enthaltsamkeit für einfache Mitglieder
  15. Du bist keine Minute des Tages mehr allein – jemand aus der Gruppe ist immer bei dir.
  16. Die Gruppe füllt die gesamte Zeit mit Aufgaben, z.B.:
    • Verkauf von Büchern und Zeitungen
    • Werben neuer Mitglieder
    • Absolvieren von Kursen
    • Meditationen.
  17. Zweifelst du / stellt sich der versprochene Erfolg nicht ein oder wirst du nicht “geheilt”, bist du selber schuld, weil du dich nicht genug eingesetzt / weil du nicht genug glaubst.
  18. Mitglied der Gruppe sollst du möglichst sofort / heute werden.
  19. Es gibt kaum eine Möglichkeit, sich in Ruhe ein Bild von der Gruppe zu machen: Du sollst nicht erst einmal nachdenken / reflektieren / prüfen, sondern erleben: “das kann man nämlich nicht erklären, komm doch gleich in unser Zentrum und mach erst mal mit!”
5 Kommentare
  1. Danny
    Danny sagte:

    Wenn man sich einige Gruppen von „Hundeexperten“ so ansieht treffen gruselig viele Punkte zu….

    Besonders das „Werben neuer Mitglieder“! An der Hauptstraße, ein Stückchen Gras, die Hunde schnuppern und wir 3 denken an nix Böses..
    „Sie da! Ihr Hund ist zu dünn! Sanieren sie mal den Darm und ich geb ihnen die Nummer einer gaaanz tollen Homöopathin! Und der andere, ein typischer Fall von Schildi. Ihre Bindung ist ja katastrophal!“ und so weiter. Ich hab die Frau im Leben noch nie gesehen, die kam einfach auf uns zu und legte los. Natürlich wollte sie auch gleich das ich ihrer Facebookgruppe beitrete, damit den armen Hunden geholfen werden kann.
    Ich bin dann einfach gegangen, ihr eigener Hund stand übrigens die ganze Zeit total teilnahmslos daneben…

    Nennt sich dann wohl aggressive Werbung oder so.

    Antworten
    • Katja
      Katja sagte:

      Was sollte der Hund der Dame den machen? Dich anfallen?
      Wenn ich irgendwo stehe und mit jemandem rede, steht meine Hündin auch scheinbar teilnahmslos herum. Das ist nämlich eine der ersten Erfahrungen, die sie machen durfte: Wenn Frauchen mit jemanden spricht, hilft nur aussitzen

      Antworten
      • Sandra T.
        Sandra T. sagte:

        Aussitzen ;0)

        Aussitzen ist wirklich gut.

        Auch eines der ersten Dinge, die der durchgeknallte, „durchgereichte“ Jagdbarde aus dem Tierheim, der bei uns einzog, als eine der ersten Dinge lernen musste.

        Was glaubt Ihr, warum das Frauchen seither so gern „motivationslos rumsteht“ und mit Leuten uff de Gass babbelt … wegen dieses Aussitzens.

        Mag ja stinklangweilig sein, aber irgendwie bringt es den durchgeknallten, durchgereichten Jagdbarden doch verlässlich zur Ruhe.

        Aussitzen, klasse, danke für den Ausdruck. Made my day.

        Antworten

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  1. […] dem Willen dessen, der erzogen werden muss / soll. Ist doch bei Kindern auch nicht anders, oder? http://nomro.de/dem-guru-seine-juenger/ Das hat schon was Wahres *grins* […]

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