Robert Yerkes war ein kluger Mann. Unter anderem war der Zoologe und Psychologe Namensgeber für die Sprache „Yerkisch“, die Forschern dazu diente, mit Primaten zu kommunizieren. Außerdem war der Robert maßgeblich an der Formulierung des Yerkes-Dodson-Gesetzes beteiligt, das sich mit den Zusammenhängen zwischen Erregungsniveau (dem sogenannten Aktivationsniveau„) und kognitiver Leistungsfähigkeit befasst.

Grob zusammengefasst geht darum, dass ein mittleres Erregungslevel uns ermöglicht, die bestmögliche Leistung zu erbringen. Sind wir unmotviert, bleiben wir hinter unseren Möglichkeiten zurück, sind wir übermotiviert, dann machen wir keine Fehler – dann produzieren wir Katastrophen.

(Den Tippfehler in der Grafik bitte ich zu entschuldigen)

Yerkes dodson gesetz

Motivation ist ein gutes Stichwort. Denn Motivation ist ja bekanntlich das „A und O“ im Hundetraining.

Vielleicht liegt es daran, dass ich so viele Gebrauchshunderassen im Training habe, vielleicht ist es auch ein bedenklicher Trend. Auf jeden Fall laufen mir eindeutig zu viele Hunde über den Weg, die ich als Nervenwracks bezeichnen würde. Aber ich bin ja auch ein ahnungsloser Idiot, auf dem Hundeplatz nennt man das nämlich „triebig“.

Mein Schlappohrmalli (ich schreibe „Mali“ mit „LL“, weil es cooler aussieht) ist derweil nicht „triebig“, sondern „sachlich“, wie mir jemand sagte. Ich empfand diese Aussage als Kompliment, liess mich später jedoch aufklären, dass damit gemeint war, dass er eine Schnarchnase sei. Persönlich empfinde ich das immer noch als Kompliment, denn ich kann ganz gut auf ein „SG“ verzichten, wenn ich mit dem Vieh im Gegenzug unfallfrei durch den Alltag komme.

Aber zurück zu den triebigen Nervenbündeln und Herrn Yerkes und Herrn Dodson.

Der Gebrauchshund als solches wurde einst gezüchtet, um mit dem Menschen zusammenzuarbeiten. Das gilt im übrigen auch für Jagdhunde: Die Ausrede „Der hetzt unkontrolliert, weil er ein Jagdhund ist“ hinkt, denn der jagdlich geführte Hund kooperiert mit dem Jäger!

Egal, im Idealfall verfügt er, der Gebrauchshund, über eine hohe intrinsiche Motivation, mit seinem „Hundeführer“ gemeinsam etwas zu unternehmen. Intrinsiche Motivation bedeutet derweil, dass wir Dinge „einfach so“ tun, ohne etwas dafür zu erwarten. Wenn Du z.B. gerne Klavier spielst, dann wird die Handlung zum Selbstzweck und Du benötigst niemanden, der Dir ein Gummibärchen in den Mund stopft, wenn Du die Sonate beendet hast.

Instrumentelle Motivation wiederum bezeichnet eine Handlung mit dem Ziel einer Belohnung. Wenn Du dich jeden Morgen schlecht gelaunt ins Büro schleppst, könnte das unter anderem daran liegen, dass Du am Ende des Monats dafür bezahlt wirst.

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Damit komme ich zurück zum Hundetraining.

Zum Einen widerlegt das Yerkes-Dodson-Gesetz die weitverbreitete und simplifizierte Meinung, dass Lernen unter Stress gar nicht oder nur schwer möglich sei. Zu viel – vor allem passiver – Stress wäre demnach ungünstig – zu wenig Erregung – selbst bei aktiven Stress – allerdings auch.

Schlechterdings lässt sich zum Anderen oft beobachten, dass die Motivation als solche in Stressbelastung ausartet, weil die inneren Vorgänge des Hundes vernachlässigt werden.

Wenn Dir Klavierspielen Laune macht, kann zusätzliche instrumentelle Motivation die Leistung verhageln. „Wenn Du Für Elise fehlerfrei spielst, bekommst Du Hundert Euro“. Das ist eine Menge Geld und der Ausblick auf ein paar neue Schuhe führt dann plötzlich dazu, dass Du das Pianostück verkackst oder schludrig dahin klimperst.

Im Hundetraining läuft es oft nicht anders.

Nehmen wir das Beispiel Unterordnung, bzw. für die Englisch-Fans unter Euch Obedience (funktioniert aber auch mit allen möglichen anderen Formen der Bespaßung).

Vorausgesetzt, der Mensch verhält sich seinem Hund gegenüber einigermaßen emphatisch und hat selber Spaß an der Sache, sollte sich ein stimmiges Bild ergeben. Winkt jetzt am Ende der Übung die große Party, kann dies dazu führen, dass der Hund – mit Blick auf den fliegenden Ball, das Zergel oder die Leberwurst – die eigentliche Übung „dahin pfuscht“ und eine schlechtere Leistung zeigt, als ihm eigentlich möglich wäre.

Das ist der Punkt, an dem der Hund nicht mehr aus einer inneren Motivation heraus handelt. Die Übung, die vorher gut funktioniert und „Spass“ gemacht hat, wird lästig und als Druck empfunden.

Die vermeintlich positive Belohnung („Hier hast Du einen Ball“) wird – insbesondere, wenn sie mit Bewegung zu tun hat – schnell zu einer negativen: „Ich befreie dich aus dieser nervigen Übung“.

So dreht sich der Kreis: Der Hund geht ins Appetenzverhalten, sobald er den Platz betritt. Nicht, weil er nun gemeinsam mit seinem Besitzer etwas tut (dafür wurde er ja gezüchtet), sondern weil hier die freie Entfaltung wartet. Der Mensch wiederum ist irgendwann genervt, weil es nicht mehr klappen will und wird – so oder so – unfair seinem Hund gegenüber. Egal, ob er leise frustriert in sich reinbrabbelt oder den Hund für genau das Verhalten korrigiert, welches er ihm vorher zuverlässig beigebracht hat.

Grundsätzlich wäre es sinnvoll, mal zu hinterfragen, ob die Art und Weise wie insbesondere „Sporthunde“ ausgebildet werden, noch so sinnvoll ist. Natürlich ist es zu begrüßen, dass Stachler und Teletakt (zumindest weitestgehend) gegen Clicker und Frolic ausgetauscht wurden, aber die grundlegende Problematik hat sich nicht geändert.

Vor 40 Jahren war es vielleicht noch sinnvoll, Hunde erst „triebig“ zu machen und dann unter Kontrolle zu bringen. Das waren aber auch noch andere Hunde. Zu der Zeit galt der Deutsche Schäferhund als das Schweizer Taschenmesser unter den Hunden, heute sind sie je nach Linie Rambo-Messer oder Löffel.

Einen Arbeitslinien-Schäferhund oder einen Malinois muss man nicht „triebig machen“, ganz im Gegenteil. Viele dieser Hunde kommen mit sehr dünnen Nervenkostüm aus der Wurfkiste. Hier wäre es maximal sinnvoll, von vorne herein Ruhe einzufordern und – nur aus dieser Ruhe heraus – zu verstärken.

Der Spruch „Was Hänschen nicht lernt …“ ist zwar erwiesenermaßen mumpitz, umgekehrt ist es sehr schwer, Hans etwas abzugewöhnen, das Hänschen mal Erfolg beschert hat.

Insofern freue ich mich, einen sachlichen Schlappohrmalli mit Doppel-LL zu haben. Denn schnell wird der noch früh genug.